Für einmal es nicht beim Durchfahren belassen und nur kurz eines der Dörfer mit den klingenden Namen ansehen, sondern Zeit im engen Tal verbringen? Ich finde, das jährlich im Herbst stattfindende Festival della Castagna bietet eine passende Gelegenheit, sich dem Bergell zu widmen.
Sich geruhsam zwischen und in den Dörfern und Weilern zu bewegen, gibt die Möglichkeit, sich den vielen sympathischen Details zu widmen.


Dazu zähle ich nebst den allseits bekannten Orten wie Soglio oder Stampa, dem Museum Ciäsa Granda in Stampa, oder dem Palazzo Castelmur in Coltura bei Stampa auch kleinere, neu zu entdeckende Orte wie auch Gebäude.
Wir genossen ein Vermicelles im Bed & Breakfast Pontisella. Das grosse mehrstöckige typische Steinhaus an der Hauptstrasse bietet unerwartete Eindrücke u.a. mit dem Garten hinten zum Wald hinaus sowie den spannenden Innenräumen.
Zwischendurch drängt sich einem immer wieder die grosse und impossante Bergkulisse ins Auge. Einige wenige Tage vor unserem Besuch im Tal schneite es die Steinriesen leicht mit Neuschnee ein. Zusammen mit dem Grün des Tals und der tiefstehenden Sonne ein grosses Farben- und Lichtspiel mit sich verändernden Bildern über den gesamten Tag verteilt.

In Vicosoprano fand ein kleiner Markt rund ums Thema Kastanien statt. Das über lange Zeit wichtige Grundnahrungsmittel wurde in verschiedenster Form dargereicht. Spannend war das Gericht gesiedeter Kastanien, zubereitet mit Speck und Schlagrahm – dieses Gericht isst man beim Brauch des Calendamärz am 1. März, an dem man den Winter austreibt.
Du findest das Rezept für dieses Gericht im kürzlich erschienenen Rezeptbuch „castegna“ im Verlag Schweizer LandLiebe.
Der Maroniverkäufer vor Ort empfahl uns übrigens, frische Maroni gemeinsam mit Ziegenkäse und einem Glas Rotwein zu geniessen, idealerweise zusammen mit Freunden.
Mitten im Ort Vicosoprano, nun eingeschlossen und beinahe vollständig absorbiert vom Rathaus, steht der Senvelenturm. Gebaut im 13. Jahrhundert nutzte die Talschaft den Turm u.a. auch als Gefängnis. Es gab im Ort Hexenprozesse und Hinrichtungen, im Turm sind Foltergeräte ausgestellt, draussen am Haus hängt die Kette des Prangers. Es ist schnell geschehen, ohne sich dessen bewusst zu sein, an diesem geschichtsträchtigen Ort vorbeizugehen, sich nicht gewahr zu sein, wie grausam vergangene Zeiten waren.


Und dann ist da das kulturelle Schaffen im Tal. Das Tal aus dem die Giacomettis stammen. Immer mal wieder gilt es genau hinzusehen, die grossen Holzskulpturen wie eine unten abgebildet ist, stehen etwas abseits auf der Rückseite des EWZ Verwaltungsgebäudes in Vicosoprano.


Martin



